Brief vom Hangbauhaus November 2009


Autoren: Felix Rohner und Sabina Schärer
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Veröffentlicht auf www.hangblog.org: 21. November 2009
Sprachen: deutsch, englisch, französisch, italienisch, spanisch

Im November 2009 verschickten die HangbauerInnen Felix Rohner und Sabina Schärer diesen Brief an Menschen, die ihnen innerhalb der vorangehenden zwei Jahre wegen eines Integralen Hang geschrieben hatten, aber bisher nicht berücksichtigt werden konnten. Der Text geht der Frage nach, was ein Hang ist, und was es nicht ist, und kündigt das neue Freie Integrale Hang an.


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Um das Jahr 2000 ist das Hang hier in Bern in der Schweiz geboren worden. Eine besondere Konstellation machte dies möglich: Seit 1985 experimentierten wir mit neuen Materialien. Es gelang uns, gemeines Stahlblech in ein neuartiges Material umzuwandeln, das sich für akustische Zwecke besser eignete. Dank der besonderen physikalischen Eigenschaften unseres PANG Materials konnten wir endlich die Enge des Spundfasses sprengen, das uns bisher jahrzehntelang zum Bau von Steelpans als Rohmaterial diente.

Wir begannen uns zunehmend für Klangkörper aus dem nahen und fernen Osten zu interessieren und bauten sie nach, um ihre Wirkungsweise besser kennenzulernen. Es entstand eine Reihe interessanter Klangkörper, deren Klangqualitäten, speziell deren Dynamik, aufhorchen ließ. Durch diese langjährige Forschungsarbeit lernten wir physikalische Gesetze kennen, deren Umsetzung im Hang Gestalt angenommen haben. Der Gong offenbarte uns die Bedeutung des Buckels, die Tabla verfeinerte maßgebend unsere Stimmkunst, das Gatham führte zur Integration der Luftresonanz, Zymbeln und Becken luden uns ins Reich der Geräusche ein.

Im gleichen Jahr folgten wir einer Einladung an die erste Internationale Konferenz über Wissenschaft und Technologie des Steelpans (ICSTS 2000) in Port-of-Spain, Trinidad, wo wir unsere Panginstrumente und unsere Forschungsresultate präsentierten. “It sounds like in the old days”. Dies war die Reaktion der Gelehrten Trinidads. Für uns bedeutete dies eine Bestätigung, denn es war tatsächlich der Klang der alten Steelbands, der uns inspiriert hatte. Das Hang, erstmals im Mekka der Steelbands aufgetaucht, entging der Aufmerksamkeit der Konferenzteilnehmer und der Presse. Das Spiel mit den Händen auf Metall: dies erschien den Trinidadern als nicht zu ihrer Kultur gehörig: “This is not our culture.” Zurück in der Schweiz, konzentrierten wir uns fortan auf die Entwicklung des Hang (in unserer Sprache “HAND”), denn das Spiel der Hände wurde den dynamischen Klangqualitäten des Pangmaterials gerecht. Der direkte Kontakt wurde zum Thema.

Seither sind fast 10 Jahre vergangen. Eine entscheidende Klärung steht bevor: Was ist ein Hang und was ist es nicht?

In den Anfängen waren es vorab PerkussionistInnen, die das frische neue Instrument bemerkten. Sie nannten es Gerät, UFO, Pantam, Disco armonico, Flying saucer, Hang Drum. Ihr Traum von der Vereinigung von Rhythmus und Melodie schien in Erfüllung gegangen zu sein. Sie spielten das Hang auf einem Ständer, oft auch mehrere miteinander und versuchten es in ihre Bands und Orchester zu integrieren. Wir waren bedacht, den Wünschen der MusikerInnen entgegenzukommen, bauten Hanghang mit bis zu 10 Tönen, eine Version mit zwei Öffnungen, Hanghang mit kürzerem Klang und sogar ein chromatisches mit Tönen beidseits. Dazu boten wir eine reiche Auswahl an Skalen aus aller Welt an.

Viele Menschen wurden vor allem von den hochenergetischen Schwingungen des Hang angezogen. Sie horchten in den Hangkosmos hinein, waren von der Harmonie und dem Reichtum an Obertönen beglückt. Manche attestierten dem Hang sogar heilende Kräfte. Wir gingen auf ihre Ideen ein und bauten Hanghang mit Mond- oder Sonnenklang oder heilenden Tonleitern. Während die PerkussionistInnen das Hang vorwiegend als Plattform für ihre Kunst sahen, wurden Klangmenschen vom hypnotischen Klang des Hang angezogen.

Den Weg in unsere Werkstatt fanden auch MusiktherapeutInnen. Sie hatten die positive Wirkung des Hang an sich selbst wahrgenommen und gedachten, es in ihrer Praxis einzusetzen. Auch PsychologInnen, PsychiaterInnen, SchamanInnen und HeilerInnen zeigten sich an diesem hybriden Instrument interessiert. In den letzten Jahren erhielten einige Tausend Menschen aus aller Welt ein Hang, durch uns direkt oder bis 2006 auch durch Distributoren auf allen Kontinenten. Man begegnet ihrem Spiel auf Youtube, an Strassenecken, in Konzertsälen, in Kirchen, an Ritualen, in Studios, in Werbespots, in Filmen, an Elektroparties. An die zweihundert CDs haben wir HangbauerInnen erhalten und staunen über deren Vielfalt. Viele Menschen spielen ihr Hang bescheiden in der Stille ihres Hauses oder in der Natur, im Kreise enger Freunde oder berühren es einfach ab und zu.

Einen tieferen Einblick in das Wesen des Hang jedoch eröffnete uns die tägliche Arbeit mit dem Hammer in der Klause. Anfänglich verkauften wir das Hang in Musikläden. Als die Bestelllisten der Distributoren immer länger wurden, empfanden wir dies zunehmend als unangenehmen Druck — unsere Kraft schwand. Die Wünsche der KundInnen waren zum Teil schwer zu erfüllen: So wollten gewisse Tonleitern einfach nicht in den Hangkörper passen — das Hang wurde kein harmonisches Ganzes. Wir liefen Gefahr, unsere Vision von einem ausgewogenen harmonischen Kosmos zu verlieren. Unsere Freunde von der Wissenschaft konnten uns ihrerseits die Komplexität des schwingenden Systems Hang plausibel vor Augen führen. Wir besannen uns darauf und erkannten, welch faszinierende und anspruchsvolle Arbeit vor uns lag: Das Hang sollte ein klingender Kosmos sein, kein Musikinstrument für die standardisierte Musikwelt.

Die Hanghang der ersten Generation klangen hell. Im Jahre 2006 wurden die Stimmungen tiefer, das Hang klang wärmer. Wir begannen immer besser hinzuhorchen, studierten die Natur der menschlichen Sinne und die überragende Bedeutung der Hand. Durch tiefere Kenntnis des Pangmaterials gelang es uns, mit den Spannungen im Material besser umzugehen. Die gezielte Verteilung der Kräfte im Ofen führte zu einer entscheidenden Verbesserung der Klangqualität.

Den Chor um den zentralen Dom reduzierten wir auf ein Maß, das dem gewünschten Gleichgewicht der Kräfte Rechnung trug. Im Weiteren suchten wir ein harmonisches Zusammenspiel des Chors mit dem Dom. Der akustische Zusammenhang beider Seiten erfolgte in Berücksichtigung des Spiels des Hang auf dem Schoß. Das Hang wurde zum Schoßinstrument.

Das Integrale Hang entstand im Frühling 2008 und es wurde uns immer klarer, daß wir es nicht mit einem System von einzelnen Tönen zu tun hatten, sondern mit individuellen Stimmen, die untereinander harmonisch verbunden sein mußten, um jenen Klangreichtum und Dynamik hervorzubringen, die das heutige Hang auszeichnet. Die Obertöne erzeugten einen Gesang, der wie ein betörender Singsang sich ums Hang ausbreitete. Der Kontakt der Hand mit der Membran rief sensitive Geräusche hervor, die wir als natürlich dazugehörend akzeptierten. So sollte es sein: Wir traten in ein multidimensionales Geschehen ein! Manche nannten es intuitives Spiel, Improvisation, Trance, Hypnose, Aufträumen, Meditation… aber wer weiss schon, an welchen Ort man herangeführt wird!

Jetzt im Herbst 2009 liegt das Freie Integrale Hang auf unserem Schoß, eingestimmt gänzlich ohne Gebrauch von technischen Stimmgeräten. Wir vertrauen auf unsere innere Resonanz. Das Resultat ist ein Hang mit einer klanglichen Fülle, das nicht nach weiteren Instrumenten ruft. Das Freie Integrale Hang bauen wir für Menschen, die in einer gehörig heiß laufenden Welt sich nach Gleichgewicht und nach innerer Ruhe sehnen. Unsre Arbeit ist nicht auf musikalische Normen ausgerichtet, welche Studium, Übung und Leistung fordern. Hangspiel kann zu einer Form der Freiheit führen, die sich jedem Druck und jeder Nötigung widersetzt. Individuen, die sich dessen bewußt sind, werden durch das Hangspiel gestärkt. Gedankenloser Gebrauch kann hingegen schwächen. Wir als HangbauerInnen haben diesen Tatsachen Rechnung zu tragen. Wir hatten in den letzten Jahren zu akzeptieren, daß das Hang in einer Art und Weise gebraucht wurde, mit der wir uns nicht mehr einverstanden erklären können. Die Umbenennung in Hang Drum war zum Beispiel fatal. Es löste eine Welle von Missverständnissen aus. Die Folgen davon sind Schäden an den Instrumenten, körperliche Schäden, sowie geistige und emotionale Störungen. Mit dem Freien Integralen Hang müssen wir in Zukunft vorsichtiger umgehen.

Mit freundlichen Grüssen
Sabina Schärer Felix Rohner

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