Am 1. Juni 2013 feierte die PANArt in Bern mit 60 Gästen ihr 20-jähriges Bestehen und stellte ihr neues Instrument, das Gubal vor.
Sonntag, 2. Juni, 18:03 Uhr, Karlsruhe. Der ICE verlässt gerade den Bahnhof in Richtung Norden. In 20 Minuten werde ich in Mannheim umsteigen. Ich bin auf dem Weg von Bern nach Dortmund und hinter mir liegt ein kurzes, aber intensives Wochenende. Viertel nach zehn am Morgen bin ich gestern aufgebrochen, Viertel nach fünf am Nachmittag treffe ich im Hangbauhaus in Bern ein, lege mein kleines Gepäck im Gästezimmer ab und unterhalte mich eine Weile mit Hans Businger, dem guten Freund der PANArt seit den Jahren der Steelpan, der vor nun genau 10 Jahren für das 10jährige Jubiläum den lesenswerten Artikel „10 Jahre PANArt – Einblick und Rückblick“ geschrieben hat.
In unserem Gespräch geht es um Gesundheit und Krankheit, das ganzheitliche Verständnis der Abwehrkraft und was man selbst für sich tun kann. Das Thema ist nicht zufällig, denn seit gut vier Wochen befinde ich mich nun in der Chemotherapie und bin froh, dass das Timing so gut funktioniert hat, dass ich heute hier dabei sein kann – bei der Feier zum 20jährigen Jubiläum der PANArt. Seit einer Woche habe ich meine Haare ganz abrasiert und ich fühle mich etwas fremd in meinem Kopf. Ein wenig mulmig, wie es sein wird, das erste mal unter vielen Menschen. Aber später stellt sich heraus, dass ich es fast völlig vergesse und es keine Rolle mehr spielt.
Um 18 Uhr gehen Hans und ich hinunter an die Aare zum Hanghaus, jenem kleinen Holzgebäude mit langer und bewegter Geschichte, das 1956 im Margilie Quartier von Bern stand und der Aufnahme ungarischer Flüchtlinge diente, später dann an den Anfang der Engehaldenstraße versetzt wurde, einen Fechtclub beherbergte und in den 1980er Jahren als Unterrichtsraum für das Sekundarlehramt genutzt wurde, bis es 1988 zum Probenraum der Steelband Berner Ölgesellschaft mutierte, die die Baracke dem Kanton Bern abkaufte, demontierte, und 1989 am heutigen Ort wieder aufbaute. Im Lauf der Geschichte der Steelbandszene in Bern änderte sie mehrmals ihren Namen. Zu Beginn war es der Steelpavillon, später Steelwyl und schließlich das Steelhaus. In der Folgezeit spiegelte der Name die Instrumentenentwicklung der PANArt wieder. Mit der Pang-Rohform und den Panginstrumenten wurde es zum Panghaus. Nach der Vorstellung des Hang auf der Musikmesse Frankfurt im März 2001 zog am 1. Mai 2001 die PANArt-Werkstatt in das kleine Gebäude ein und es erhielt den Namen Hanghaus. Im Jahr 2005 zog die Werkstatt ins oberste Stockwerk des gegenüber am Steilhang gelegenen Gebäudes um.
Heute empfangen Sabina Schärer und Felix Rohner im Hanghaus die geladenen Gäste zur Jubiläumsfeier. Etwa 60 Menschen trudeln im Laufe einer Stunde ein, die meisten aus der Schweiz. Nur eine Handvoll ist wie ich aus Deutschland angereist. Es ist kein internationales Event und es passt zum Hang, dass nicht Musiker und Hangspieler geladen sind, sondern Menschen die den Weg der PANArt in den letzten 20 Jahren auf recht unterschiedliche Weise begleitet haben.
Peter Schober von der Hirsig Blechtechnik AG etwa gehört dazu, der das Tiefziehen der Instrumentenrohformen besorgt oder Beat Stucker, DUAP AG, der für das Nitrieren zuständig ist. Beat Eichenberger ist als Buchhalter seit Beginn bei der PANArt dabei. Andreas Schlecht, der Anwalt von der Bovard AG, berät in Patent- und Markenrechtsfragen. Jean-Martin Rufer und Jürg Dänzer von der Fachhochschule Biel haben das Pangblech untersucht und damit Vorarbeiten für das neue Patent der PANArt geleistet, das gerade erst vor wenigen Tagen erteilt wurde. Christine Studer hat viele Veröffentlichung der PANArt ins Englische übersetzt. Sabina stellt sie mir vor, während ich mir zur Feier des Tages ein halbes Glas Sekt zugestehe. Sie hat auch einige meiner Texte übersetzt und wir haben so manche E-Mail gewechselt. Nun lerne ich sie endlich auch persönlich kennen. Genauso wie Johannes Lülsdorf, Geschäftsführer der LBI oil free GmbH, der mir später am Abend erzählt, wie er 2008 sein Integrales Hang bei der PANart abholte und die Hangbauer darauf hinwies, dass es etwas Besseres für den Korrosionsschutz gebe, als das damals verwendete Hartöl. Ab dem nächsten Jahr lieferte er dann das neuentwickelte Hang-Reinigungsspray, das auch das haptische Erlebnis der Hangoberfläche deutlich verbesserte. Meinen Freund Frank Sturm kenne ich natürlich schon lange. Er betreut das Hangforum im Internet. Basil und David Rohner, sind die Söhne von Felix und arbeiten seit kurzem in der PANArt mit.
Ruedi Helfer besorgte die Redaktion und Jonas Ganz die Gestaltung der neuen bibliophilen Buchs „hang – Blech Klang Skulptur“, das gerade noch rechtzeitig zur Jubiläumsfeier fertig wurde. Ab dem 1. Juli soll es auf deutsch, englisch und französisch über die reaktivierte Domain www.hang.ch erhältlich sein. Felix Rohner und Sabina Schärer versprechen sich davon, dass die bislang schmerzlich vermisste Diskussion über das Wesen des Blechklangs und die Qualitätsaspekte von Blechklangskulpturen in Gang kommt.
Zugegebenermaßen muss die vorstehende Aufzählung von Personen ausschnitthaft und subjektiv bleiben, orientiert sie sich doch daran, wen ich zuvor schon kannte oder am gestrigen Abend kennenlernen konnte. So muss ich all diejenigen, die hier unerwähnt bleiben, um Verzeihung bitten. Sie zeigt aber, wie sehr die PANArt ein lokales Projekt ist, das der regionalen Vernetzung bedarf, und so stets in einem Spannungsverhältnis zur weltweiten Aufmerksamkeit stand, die nicht zuletzt durch das neue Medium des Internets stark befördert worden ist.
Nachdem Felix Rohner und Sabina Schärer zur Begrüßung das neue „Büchelchen“ im violetten Leinen-Hardcover – jeweils mit persönlicher Widmung – an die Gäste verteilt haben, führt uns Sabina Schärer in einem Schnelldurchgang durch die Instrumentengeschichte der PANArt. Wesentliche Stationen haben sie im Hanghaus aufgereiht. Angefangen mit dem ersten handgespielten Instrument, dem Pung, einem buckelgongähnlichen Instrument aus Pangblech, aber mit einem Mantel wie eine Steelpan. Es wird mit der Faust gespielt und liefert sanft angeregt einen dunklen, harmonischen Klang, der mit stärkerem Anschlag bis zum Crash aufhellt. Dann das „Baby“, jenes Ur-Hang, das im November 1999 aus einer spontanen Idee heraus aus zwei herumliegenden Pang-Halbschalen für den Steelpanbau zu einer Kugel zusammengesetzt wurde. Die nächsten Prototypen wurden dann kleiner um wirklich spielbar zu sein, bis schließlich die Endform des Hang der ersten Generation erreicht war. Weiter ging es mit einer neuen Generation, tiefer und weicher, teilweise mit zusätzlichem Du-Loch (Gudu Hang), dem Integralen Hang, das Ding und Gu miteinander verschmolz und schließlich dem Freien Integralen Hang mit dem die freie Einstimmung eingeführt wurde.
Nun lüftet Felix Rohner die Decke, die bis zu diesem Augenblick das neue Instrument der PANArt verhüllt hat. Es erinnert an ein Hang und ist doch anders und ungewohnt. Felix versetzt es auf dem Holzfußboden in Drehung wie einen Kreisel, während er erzählt, dass es nun um einen Tanz gehe. Während der neue Klangkörper sich dreht und dreht, bis er sich nach einer Weile auf die Seite legt und mit einigen wenigen Drehungen in Gegenrichtung zur Ruhe kommt, berichtet Felix, dass sie das neue Instrument Gubal genannt haben. Dort wo das Hang seinen Gu hat, sehen wir beim Gubal einen Gugel, eine geschlossene halbkugelförmige Erweiterung des Volumens, die zwischen den Beinen des Spielers zu liegen kommt. Der Gu ist auf die Oberseite gewandert, nun ein Gung, der von einem Ringding umgeben ist. Durch die Vergrößerung des Volumens wurde die Helmholtz-Resonanz abgesenkt und zugleich verstärkt. Sie tritt nun ins Zentrum des Gubalspiels.
Nur wenige Worte verliert Felix zum neuen Instrument, denn das Wesentliche ist nun die Musik. Er nimmt das Gubal auf den Schoß und beginnt zu spielen. Ein Groove erfüllt den Raum mit dem dunklen Gung im Zentrum, umspielt von feinen Anklängen des Klangrings und perkussiven Klängen der Schulter, die an die Ghatam oder die Bremstrommeln der Steelbands aus Trinidad erinnern. Einen „Schweinehirtentanz“ hat Felix den Gubal-Groove vor einigen Wochen mir gegenüber genannt. Heute nennen sie den Gubaltanz einen Bal. Nun gesellt sich Sabina mit einem zweiten Gubal hinzu, später Lukas Rohner mit dem Gartenhorn, einer selbstgebauten Obertonflöte. Alexandre Cellier bläst auf einer Gießkannenklarinette, einer Tasse und einem Rosenblatt. Und schließlich fügt Matthias Rohner seine improvisierten Melodien mit dem Sopraninosaxophon hinzu. Damit endet die Vorstellung des Gubals.
Anschließend sind die Gäste in die Halle im Hangbauhaus geladen. „Im Gu“ heißt der große, offene Bereich, von dem die Büro-, Werkstatt- und Stimmräume abgehen. Die PANArt hat die neuen Räumlichkeiten Anfang 2011 bezogen. Während der Besuchswochen werden Im Gu die Kunden empfangen. Heute bewirtet uns dort Maya Muralt mit einem vorzüglichen, mehrgängigen Menü, das zu loben ich an dieser Stelle auf keinen Fall versäumen möchte. Währenddessen ist Zeit zu allerlei Austausch und Gesprächen.
Vor dem Nachtisch präsentiert Maurizius Stärkle-Drux einen zwanzigminütigen Film, den er in intuitiver Schnittfolge aus insgesamt zwanzig Stunden Filmmaterial montiert hat, das die PANArt ihm zur Verfügung stellte. Man erfährt, mit welch einfachen Mitteln anfangs bei der Berner Ölgesellschaft Steelpans aus gebrauchten Ölfässern gebaut wurden. Wir sehen die Steelband in frühen Jahren von einer riesigen Menschenmenge umringt auf dem Berner Hauptbahnhof. Diskussionen in der Band, offenbar Ende der 1970er Jahre. Reisen mit dem Kleinbus, die Steelpans auf dem Dachgepäckträger. Aufnahmen vom Panorama, dem jährlichen Steelbandwettbewerb in Port of Spain, Trinidad. Felix Rohner, wie er 1995 in Cancun mit Steelpantuner Elli Mannette darüber diskutiert, ob der vierte Schwingungsmodus eines Klangfelds kontrolliert werden könne. Der Internationale Steelpan-Kongress 2000 in Trinidad, auf dem Felix Rohner und Sabina Schärer ihre Arbeit und auch das Hang vorstellen. Schließlich Bilder vom Hangbau im Jahr 2004. Der Film endet mit einer Gubal-Aufnahme von der CD mit Hörbeispielen, die dem neuen Buch der PANArt beiliegt.
2. Juni, 21:11 Uhr. Der ICE von Mannheim erreicht gerade Essen Hauptbahnhof, und mir ist es tatsächlich gelungen, meine persönlichen Eindrücke der Jubiläumsfeier in Textform zu gießen, bevor nach einem weiteren Halt in Bochum meine Heimreise in Dortmund endet. Nun muss ich nur noch per E-Mail in Bern wegen der drei, vier Namen nachfragen, die mir in den vergangenen drei Stunden partout nicht mehr einfallen wollten. Die Leserinnen und Leser werden davon nichts merken, denn ich werde sie nahtlos oben im Text an richtiger Stelle einfügen, dort wo im Augenblick noch ein XYZ steht.